Von REINER ZÜLL, 14.01.04, KSta.de
In den 90er Jahren erlebte der Verein "Löstige Bröder" einen sensationellen Neustart.
Kall - Der Karnevalsverein „Löstige Bröder“ feiert in dieser Session sein 100-jähriges Bestehen. Zwar sind im Krieg alle Gründungsunterlagen der Kaller „Löstige Bröder“ verloren gegangen, doch eine Rosenmontagszeitung aus dem Jahre 1929 weist als ältestes Dokument auf die Gründung eines Karnevalsvereins im Jahr 1904 in Kall hin. In dieser Zeitung gratulieren die „Löstige Bröder aus Call“ den Gründern des Karnevalsvereins mit einem „kräftigen Heil Alaaf!“ zum 25-jährigen Narrenjubiläum. Auch ein Kassenbuch von 1938 wird beim Jubiläumsverein wie ein Kleinod gehütet. Der runde Geburtstag der „Löstige Bröder“ wird am 2. Oktober in der Bürgerhalle mit einem großen Festakt gefeiert.
Die eigentlichen Väter der Vereinsgründung konnten trotz jahrelanger Recherchen nicht mehr ermittelt werden. Sicher scheint zu sein, dass Peter Mohr der erste Präsident war, und dass er dieses Amt später irgendwann an Peter Stollenwerk übertrug. Stollenwerk, der damals „Ise-Pitter“ genannt wurde, führte den Verein bis 1950. Er starb einige Jahre später just am Rosenmontag, als ihm die „Löstige Bröder“ ein Ständchen bringen wollten.
Die Ziege verkauft
Bis zum heutigen Tag ist die Gaststätte Gier Vereinslokal und traditionelle „Hofburg“. Die Sitzungen wurden früher ausschließlich von einheimischen Kräften gestaltet. Bei alten Kallern sind die zünftigen Auftritte von Ewald Schumacher und Heinrich Schmitz noch bestens in Erinnerung. So beispielsweise Schumachers „Bühnenabsturz“, als dieser bei einer Büttenrede über einen Pfarrer den Ausruf tat: „Hochwürden, leben Sie noch?“ Sprach's - und fiel im gleichen Augenblick samt der Bütt von der Bühne in den Saal.
Die ersten Rosenmontagszüge wurden noch mit Karren und Handwagen in Szene gesetzt. Das Geld für die Umzüge beschafften sich die „Löstige Bröder“ schon damals durch Haussammlungen. Mit dem Erlös gingen die Narren recht sparsam um: Die Kamellen für den Rosenmontagszug wurden lose und unverpackt eingekauft. In wochenlanger Arbeit wickelten die Frauen der Karnevalisten die Bonbons selbst in Papier ein.
Geld war damals ohnehin recht knapp. Doch für die Ehre, einmal Prinz Karneval in Kall zu sein, brachten die überzeugten Jecken große Opfer. So auch Peter Mohr, der sich 1936 einen Traum erfüllte und Karnevalsprinz wurde. Er besorgte sich das nötige Kleingeld auf eine ganz besondere Art und Weise: Er verkaufte eine seiner Ziegen.
Im Krieg ruhten die Aktivitäten. 1951 wurde der Verein wieder aktiv, mit Michael Steffens präsentierten die Kaller Narren den ersten Nachkriegsprinzen. Doch die Finanzknappheit sorgte dafür, dass nur noch Bälle abgehalten wurden. Aus den „Löstige Bröder“ wurden „Möde Bröder“.
Es war 1965 der „Eiserne Gustav“, der die Kaller Jecken aus dem Dornröschenschlaf aufweckte: Gustav Limburger aktivierte die Narrenschar mit dem Aufruf „Alles für uns Pänz“. In Kall lebte der Kinderkarneval auf. Schon ein Jahr später gab es nach dem Kinderzug auch eine Kindersitzung. Für die Finanzierung des Kinderzuges im Jahr 1969 ließ sich Limburger sogar eine Glatze schneiden. Die „Aktion Plätekopp“ blieb nicht ohne Folgen. Wenige Tage später opferte auch Narrenkollege Fritz Schmidt seine Haarpracht und steckte den Erlös der Wette in den Kinderkarneval.
Von 1966 bis 1970 führte der „Eiserne Gustav“ den Karnevalsverein als Präsident in eine neue Blütezeit. 1970 wurde mit Axel Chmielecki und Dagmar Schumacher das erste Kaller Kinderprinzenpaar inthronisiert. Gustav Limburger folgten als Präsidenten Bürgermeister Werner Schumacher, Alois Friederichs, Helmut Weiler und Karl Schumacher.
1990 auf dem Nullpunkt
Unter der Präsidentschaft von Helmut Weiler präsentierten die „Löstige Bröder“ 1975 mit Karl Schumacher nach 26-jähriger Pause wieder einen erwachsenen Prinzen. Schumacher übernahm ein Jahr später von Helmut Weiler das Präsidentenamt.
In den 80er Jahren ließen die Aktivitäten des Vereins immer stärker nach. 1990 war quasi der Nullpunkt erreicht. Ein karnevalistisch völlig unvorbelastetes Trio tat sich dann 1991 an der Theke zusammen, um zumindest den Karnevalszug zu retten: Peter Berbuir, Ferdi Saßmann und Gastwirt Dieter Forner gründeten am Tresen des „Bürgerhofs“ die „Interessengemeinschaft Kaller Fastelovendszoch“. Ein Spendenkonto für den Umzug wurde eingerichtet. Aber dann fiel der Zoch 1991 dennoch aus: Der Golfkrieg hatte alle Bemühungen der Narren-Initiative zunichte gemacht.
Berbuir 13 Jahre Chef
Mit der Wahl von Peter Berbuir zum neuen Präsidenten der „Löstige Bröder“ erlebte der Verein einen sensationellen Neustart. Die Proklamationssitzungen wurden wieder mit eigenen Kräften gestaltet, die Bürgerhalle war voll wie selten zuvor. Auch die erste Kindersitzung nach längerer Pause füllte die Halle bis auf den letzten Platz.
Die Mitgliederzahlen stiegen nach der Neugründung explosionsartig an. Mit seiner nunmehr 13-jährigen Amtszeit als Präsident hat Narrenchef Peter Berbuir alle bisherigen Präsidenten überholt. Mit Vizepräsidentin Erika Görgen, Geschäftsführer Ralph Drehsen und Schatzmeister Wolfgang Goebel blickt Berbuir jetzt hoffnungsvoll in die Vereins-Zukunft.